Gegen Gewalt gegen Kinder verhindern und helfen

Kämpferin mit zehn - Mutter mit 13

„Horror aushalten oder sterben“
Autor: KSzeltner  | 
13. Mai 2017
Autor: KSzeltner
Kindersoldaten mit dem Projekt rebound eine Zukunft ermöglichen
Kindersoldaten mit dem Projekt rebound eine Zukunft ermöglichen

Der Vergewaltiger war ein alter Mann und hatte schon fünf Frauen. „Als er mich das zweite Mal zum Sex zwang, blieb ich ruhig. Nur meine Tränen konnte ich nicht zurückhalten. Es ging darum, diesen Horror auszuhalten oder zu sterben. Als ich damals entführt wurde, habe ich mir fest vorgenommen, zu überleben“, so Florence. Ihr Leben in dem kleinen Dorf in Uganda sei gut gewesen und sie erinnere sich noch genau an den Tag der Entführung. „Ich war draußen mit Freunden und meine Eltern, Brüder und Geschwister waren da. Wir spielten den ganzen Tag. Es war die glücklichste Zeit meines Lebens.“

Mit der Entführung begann der Horror

Eines Abends, als sie mit anderen Kindern noch in der Dämmerung fröhlich umherrannten und tanzten, wurde das Dorf plötzlich von hellem Licht angestrahlt. Die junge Frau sagt, sie könne sich nicht genau erinnern, was dann geschah. Alles ging sehr schnell. Florence und ihre Freunde wurden von den Rebellen eingefangen und mitgenommen. Tagelang mussten sie durch den Wald laufen, in Schach gehalten von Männern mit großen Gewehren und bewegungslosen Gesichtern. Zwei Jungen, Nachbarn von ihr, starben während des langen Marsches. Schließlich erreichten sie ein Trainingslager. Ihr sei klar gewesen, dass dieses Lager nun für viele Jahre ihr Zuhause sein würde, erklärt Florence. Obwohl sie erst zehn Jahre alt war, bekam sie eine Pistole und ein Messer. „Du bist jetzt eine von uns und wir zeigen Dir, wie man kämpft“, sagte einer der Soldaten. „Von diesem Tag an musste ich lernen, wie man tötet und wie man überlebt“, so Florence.

Kindersoldat Florence hat eine Familie gegründet

Nach zwei Jahren als Kämpferin konnte sie für den Kommandanten der Armee als Babysitterin arbeiten und wurde schließlich seine Frau. Mit 13 Jahren erwartete Florence ihr erstes Kind – ein Mädchen. Eines Tages überfiel eine andere Rebellenarmee ihre Einheit und nahm sie erneut gefangen. „Sie legten mir eine Schnur um den Hals, die mich fast erwürgte. Dann zogen sie mich durch den Dreck hinter sich her. Irgendwann wurde mir schwarz vor den Augen. Stunden später wachte ich mitten in der Nacht auf. Mein Hals brannte wie Feuer und überall am Körper hatte ich Schmerzen. Stunden später fand mich mein ‚Mann‘ und nahm mich mit. Ich wäre in dieser Nacht gestorben, wenn er mich nicht gefunden hätte“, beschreibt Florence die Ereignisse.

Die Flucht und eine zerstörte Hoffnung

Nach vielen Jahren in Gefangenschaft im heutigen Südsudan und der Geburt von sechs Kindern (das jüngste zwei und das älteste 13 Jahre alt), ergab sich endlich die Gelegenheit, nach Juba (Hauptstadt des Südsudan) zu fliehen. Von dort aus konnte sie in ihre Heimat Uganda zurück reisen. Hier hatte sich alles verändert. Ihr Vater war gestorben und ihre Mutter war sehr krank. Sie hatte gehofft, bei ihrer Familie bleiben zu können, aber Florence und ihre Kinder wurden als unrein betrachtet.

„Deine Söhne und Töchter wurden von Rebellen gezeugt und darum bleiben sie schmutzig“, sagten ihre Brüder. „Ich fühlte mich Zuhause nicht mehr sicher, aber wusste auch nicht, wohin ich gehen sollte“, so Florence. „Eines Nachts gingen meine Brüder mit Äxten und Messern auf mich los. Sie verletzten mich am Bauch, am Bein und an der Hand. In der Folge musste mir die Hand amputiert werden. Nach wie vor habe ich schlimme Schmerzen.“ Die junge Mutter ist auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen. Allein kann sie den Haushalt nicht bewältigen. Verstoßen von ihrer Familie lebt sie inzwischen in Gulu, in Nord-Uganda. Ihr ehemaliger Rebellen-Ehemann fand schließlich heraus, dass sie nach Uganda geflohen war. Eines Tages stand er vor ihr. Auch wenn Florence wütend auf ihn war, hoffte sie zumindest, dass er ihr helfen konnte, für sich und die Kinder den Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber er starb wenige Jahre später.

Florence und ihrer Familie, nach ihrer Zeit als Kindersoldatin Hoffnung geben

Florence fasst neuen Lebensmut

Bis vor kurzem lebten Florence und ihre Kinder in einem Hühnerstall, da sie sich kein Haus leisten konnten. Schließlich bekamen die Kinder überall Ausschläge und wurden krank. Die Familie verließ den Stall, auch wenn sie sich keine andere Bleibe leisten konnte. „Das Leben ist zu hart“, sagt Florence. „Ich denke oft, dass ich nicht mehr leben möchte, aber was sollen meine Kinder ohne mich tun? Sie haben nichts. Sie können nicht zur Schule gehen und wegen meiner Behinderung müssen sie mir im Haushalt helfen.“ Heute leben sie in einem kleinen Haus unter ständiger Angst, dass sie es wieder verlassen müssen, wenn sie die Miete nicht mehr zahlen können. Florence und ihre Kinder arbeiten hart. Sie verkaufen Bohnen auf dem Markt.

Ich bin so froh, dass ich Mitarbeiter von World Vision getroffen habe

Vor ein paar Tagen traf Florence Mitarbeiter von Word Vision. Vorsichtig schöpft die junge Frau wieder Hoffnung. Die Kinderhilfsorganisation arbeitet seit vielen Jahren in Gulu mit Kindern und jungen Erwachsenen, deren Leben von Kriegen und Konflikten zerstört wurde oder die gezwungen waren, als Soldaten zu arbeiten. Die jungen Menschen können über ihre Erfahrungen reden und die Organisation hilft ihnen, ein neues Leben aufzubauen. Florence möchte gern, dass ihre Kinder zur Schule gehen können. „Ich bin so froh, dass ich Mitarbeiter von World Vision getroffen habe und hoffe sehr, dass sie mir helfen können“, so Florence.